Die Chronologie
Eine Chronologie der Opern
Ein großes Defizit, hat neben einigen anderen dazu geführt, dass Haydns Opern nach wie vor vernachlässigt werden: Das ist die unzureichend strukturierte Aufbereitung seines Schaffens in einem übersichtlichen Format. Wer kennt schon die genaue Zahl der erhaltenen Opern, geschweige denn deren Namen? Die Kenntnis wichtiger Daten und Fakten darf sowieso nicht erwartet werden. Unkenntnis überschattet Haydns Opernschaffen, die sich leider in Vorurteile ergoss, die wiederum Ignoranz zur Folge hatten.
Aufgearbeitet wurde Etliches. Warum es aber an guten und übersichtlichen Darstellungen fehlt, ist nicht klar nachvollziehbar. So existiert bis dato kein anschauliches Handbuch zu den Opern Joseph Haydns. Das sollte zu denken geben.
Denn nähert man sich den Opern Joseph Haydns unbedarft, stellen sich unweigerlich wichtige Fragen: Wie viele Opern gibt es nun tatsächlich? Was wird wie zugeordnet? Italienische Oper, Marionettenoper, deutsches Singspiel?
Wikipedia1 z.B. schreibt von 24 "Bühnenwerken", führt dann aber nur die 13 italienischen Opern an und geht nicht näher auf die genannte Zahl 24 ein!
Weiters sollte die Situation um die unvollständigen und auch verschollenen Opern klar und übersichtlich dargestellt werden. Nicht nur welche Opern unvollständig sind, sondern auch in welchem Ausmaß! Das hat natürlich Auswirkungen auf die Spielbarkeit dieser unvollständig erhaltenen Werke.
Nicht zuletzt findet sich keine Chronologie, die diese 13 italienischen Opern, die über einen Zeitraum von 28 Jahren entstanden sind, strukturiert auflistet.
Nach wie vor wird - und das gilt für alle Gattungen, die Joseph Haydn komponiert hat - nach dem Hoboken-Verzeichnis vorgegangen. Anthony van Hoboken listet in der Gruppe XXVIII 13 Opern auf. Diese Zählweise wurde vom Henle Verlag München übernommen, der alle Partituren in seiner Reihe XXV (der Gesamtausgabe Joseph Haydn) publiziert hat. Selbige Aufzählung spart "schon" andere, noch oder nicht mehr erhaltene Bühnenwerke aus, wie das Deutsche Singspiel oder Marionettenopern.
Wesentlich für das Projekt www.haydn13.com also war es, eine Ordnung einzuführen, und zwar eine Ordnung, die fast natürlich vorgegeben ist. Es verwundert sogar ein wenig, dass darauf nicht früher hingewiesen wurde.
Opernkomponist und Kapellmeister - Die 2 Phasen
Leicht auszumachen sind zwei Phasen in Haydns Operntätigkeit, sowohl als Komponist wie auch als Kapellmeister. Zwei Phasen, die klar an die Rahmenbedingungen am Hofe des Fürsten Nikolaus und besonders an dessen stetig wachsendes Interesse für die Oper geknüpft sind.
Die zeitliche Trennlinie: Das Jahr 1776
Die zeitliche Trennlinie zwischen den beiden Phasen verläuft ganz klar im Jahre 1776, dem Jahr, als Fürst Nikolaus einen ganzjährigen, hoch ambitionierten und nicht minder professionell agierenden Opernbetrieb im fürstlichen Schlosstheater zu Esterház einführte. Die Gründe für diesen plötzlich, gar explosionsartig wirkenden Einstand des Opernbetriebes lagen bis vor kurzem noch im Dunkeln. Wissenschaftliche Nachforschungen und auch das Deuten von Dokumenten ließen dazu einige spektakuläre Antworten zu, die in meiner ESTORAS-THEORIE auch veröffentlicht wurden.
Die 1. Phase 1761 - 1775
Die 1. Phase setzt also mit der Einstellung Joseph Haydns 1761 ein bzw. mit seinen ersten Opernkompositionen 1762 (allesamt verschollen) und zieht sich bis ins Jahr 1775 hin, dem letzten Jahr, bevor die intensive Theatertätigkeit begann. Dazwischen ist auch das Jahr 1768 von Bedeutung. Fürst Nikolaus eröffnete hier sein Schlosstheater in Esterház.
Die 2. Phase 1776 - 17852, respektive 1790
Als 2. Phase gilt die Zeit von 1776 bis 1790, als Fürst Nikolaus verstarb und sein ältester Sohn und Nachfolger, Fürst Anton, jegliche Opernaktivitäten einstellte bzw. den überwiegenden Teil des Ensembles und Orchesters entließ.
Der Opernkomponist Joseph Haydn und seine Werke - Die III Perioden
Folgt die Einteilung in die zwei Phasen äußeren Rahmenbedingungen, würde man bei der inneren Ordnung wohl formalanalytische Merkmale, die Wahl der Textbücher oder Ähnliches, zumindest Musiktheoretisches, vermuten. Doch dem ist nicht so:
Nimmt man die letzte Oper Orfeo ed Euridice aus, die 1791 in London entstand, lassen sich Haydns 12 verbliebene Opern in drei Gruppen einteilen. Und diese Gruppen korrespondieren mit jenen drei Sänger-Ensembles, die Joseph Haydn im Laufe seiner Tätigkeit als Opernkomponist zur Verfügung hatte. Das diese drei Ensembles für Joseph Haydn weit mehr als nur eine Auflistung von Akteuren war, wird noch eingehend behandelt werden.
Wie kommt es zu diesen drei Sänger-Ensembles? Fürst Nikolaus wechselte die Ensembles zweimal vollständig aus: 1775 auf 1776 und das zweite Mal um 1780. Innerhalb der einzelnen Perioden blieben die Ensembles zum überwiegenden Teil bestehen. Die Fluktuation war verschwindend gering. Es sei hier vorausgeschickt, dass in der II. und III. Periode wesentliche mehr Sängerinnen und Sänger am Hof engagiert waren als diese Homepage anführt. Anders wäre dieser intensive Repertoirebetrieb nicht zu führen gewesen. Doch hat Haydn seine eigenen Opernkompositionen - und nur das ist von Interesse - immer mit denselben Sängerinnen und Sängern umgesetzt.
Die I. Periode von 17623 - 1775
Etwas problematisch gestaltet sich ein Überblick der I. Periode, denn diese ist nicht homogen zu strukturieren. Vorweg ein paar Worte zum Beginn der I. Periode: Joseph Haydn stellte sein Operntalent vermutlich schon zur Inauguration des Fürsten Nikolaus 1762 (17. Mai) mit drei kürzeren Opern vor; "La Vedova", „Il dottore", „Il scanarello"4. Diese Opern gelten jedoch als verschollen. Ähnliches gilt für die "Comedia la Marchesa Nespola". Sie ist nur fragmentarisch erhalten. Diese vier Opern werden daher nicht berücksichtigt.
Somit ist der Beginn der I. Periode mit 1762 zu markieren.
Im Gegensatz zur jeweils doch recht kurzen II. und III. Periode zieht sich die I. Periode über 12 Jahre und betrifft 6 Opern unterschiedlichster Ausprägungen und Gattungen!
Eben weil Haydn anlassbezogen arbeitete und nicht regelmäßig Opern komponierte, sind auch längere Pausen eingetreten. Zwischen der ersten Oper, der Festa teatrale (Opera seria) Acide und dem Intermezzo (Opera buffa) La canterina liegen schon einmal drei Jahre. Und Le pescatrici trennen von L'infedeltá delusa ebenfalls 3 Jahre. Erst danach begann er, recht regelmäßig Opern zu komponieren.
Die I. Periode umfasst also folgende Opern:
- Acide, Festa teatrale: 11. Januar 1763
- La canterina, Intermezzo in musica: Vermutlich 26. Juli 1766
- Lo speziale, Dramma giocoso: September 1768
- Le pescatrici, Dramma giocoso: 16. September 1770
- L’infedeltà delusa, Burletta per musica: 26. Juli 1773
- L’incontro improvviso, Dramma giocoso: 29. August 1775
Die II. Periode von 1776 - 1779
Irgendwann um 1774 bzw. 1775 musste der Fürst die weitreichende Entscheidung getroffen haben, seinen Theaterbetrieb umzustellen und enorm auszubauen. Eine der damit verbundenen Entscheidungen war jene des Austauschs des Sängerensembles. Fürst Nikolaus wollte ganz offensichtlich die Ausweitung des Theaterbetriebes mit einem noch besseren, vor allem aber internationaleren Ensemble betreiben. Doch so homogen lief die "Auswechslung" natürlich nicht ab, weshalb sich diese II. Periode ziemlich uneinheitlich darstellt.
Da ist zum einen die interessante Tatsache, dass Haydn diese erste große Saison 1776 doch noch mit einem Gutteil seines Sängerteams aus der I. Periode bestritt. Und zum anderen, dass er diese doch so wichtige Saison 1776 nicht mit einer eigenen Oper eröffnete!?
Interessanter und viel augenscheinlicher aber sind die drei extrem unterschiedlichen Opern. Sie untermauern das Bild einer ziemlich turbulenten Zeit. Da ist einerseits diese, in ihrer groß- und kleinformalen Anlage sowie Besetzung "fast befremdlich" wirkende Oper buffa (mehr buffa als semiseria) Il mondo della luna und da sind dann die beiden ebenfalls unterschiedlichen Opern La vera costanza (semiseria) und L'isola disabitata (seria). Sie teilen sich zwar fast vollständig das Sängerensemble, aber in Ihrer groß- und kleinformalen Anlage könnten sie nicht andersgearteter sein, im Vergleich zu einer Il mondo della luna ganz zu schweigen.
Auch wenn Glucks "Orfeo ed Euridice" diese bedeutende Saison 1776 eröffnete, spielte doch eine Oper Haydns eine zentrale Rolle: L'incontro improvviso! L'incontro improvviso entstand zwar noch in der I. Periode (1775), erlebte aber ihre Blüte mit mehr als 13 Aufführungen im Jahre 1776, also in der II. Periode.
Die Umstellung des Theaterbetriebes von 1775 auf 1776 war vom Fürsten recht kurzfristig angeordnet worden. Auch wenn die Umstrukturierung letztendlich höchst erfolgreich über die Bühne ging, ganz so reibungslos lief die Sache naturgemäß nicht ab: Das lässt sich auch zahlenmäßig plakativ veranschaulichen: War es im Uraufführungsjahr 1775 nur eine Aufführung einer Opernproduktion, nämlich die der vorliegenden Oper L'incontro improvviso, so präsentierte das Opernhaus 1776 sechs Premieren und eine Wiederaufnahme, eben L'incontro improvviso. Insgesamt fanden 1776 weit über 30 Opernaufführungen statt. Dabei sollte besonders die führende Rolle des Sängerehepaares Friberth beachtet werden, das sicher so etwas wie einen glatten Übergangen von der I. zur II. Periode ermöglichten. Dennoch: Laut Besoldungsliste müssten Sie eigentlich schon im Mai 1776 aus dem Dienst ausgeschieden sein. (Ein wirklich einschneidender Abgang aus dem Team Haydns, war doch Friberth, neben Konzertmeister Tomasini, einer der wichtigsten Mitarbeiter in der Anfangszeit des Komponisten.)
das Sängerehepaar Leopold Dichter und Barbara Fux-Dichtler, sowie Christian Specht erst am 10. April 1776 auf Schloss Esterház ein. Alle drei haben wesentliche Rollen in L'incontro improvviso über. Rein rechnerisch ist es daher unmöglich, innerhalb eines knappen Monats 13 Aufführungen von L'incontro improvviso umzusetzen. Das lässt wohl den Schluss zu, dass das Sängerehepaar Friberth auch den Rest des Jahres für die Hauptrollen des Ali und der Rezia in L'incontro improvviso zur Verfügung standen und außerhalb des Besoldungssystems entlohnt wurden. Dafür sprechen auch zwei Abrechnungen im November des Jahres 1776 über Kleider der Magdalena Spangler-Friberth. Eröffnet wiederum wurde dieses Jahr aber mit Glucks "Orfeo ed Euridice", und keiner Haydn-Oper.
Nach dem Austritt der Friberths übernahm dann 1777 das Sängerehepaar Jermoli quasi deren wichtige Rolle, wenngleich vorerst für nur eine Oper, für Il mondo della luna. Erst mit Barbara Ripamonti scheint sich diese Periode im letzten Moment, im Jahre 1779 zu stabilisieren. Zwei Opern entstehen in diesem fruchtbaren Jahr, La vera costanza und L'isola disabitata.
Insgesamt müssen dieses 1776 daher, wie später dann 1780 (das 1. Jahr in der III. Periode) als Übergänge betrachtet werden. Die II. Periode jedenfalls verlief sehr ereignisreich bis turbulent.
Jedenfalls markiert dieser Perioden-Wechsel ein enormes Ansteigen der Qualität bei den Aufführungen. Drei Opern komponierte Haydn in dieser Periode:
- Il mondo della luna, Dramma giocoso: 3. August 1777
- La vera costanza, Dramma giocoso: 25. April 1779
- L'isola disabitata, Dramma giocoso: 6. Dezember 1779
Die III. Periode von 1780 - 1785
Die III. Periode beginnt schließlich 1780, doch eigentlich erst ab Mai 1781, da inzwischen noch eine Fluktuation im Ensemble Haydns stattfand. Er passte die erste Oper dieser III. Periode, La fedeltà premiata, in manchen Teilen, und hier vor allem die Charaktere betreffend, grundlegend an neue Sänger an. Die letzte Oper dieser III. Periode ist je nach Sichtweise Armida oder doch La vera costanza, abhängig davon, wie man diese Oper aus der II. Periode einstufen möchte. Haydn hatte die gesamte Oper La vera costanza, die wohl im Theaterbrand 1779 vernichtet wurde, 1785 rekonstruiert bzw. neu komponiert. Auch dazu gibt es spektakulärer Erkenntnisse, die wie alle anderen Theorien zu einem späteren Zeitpunkt publiziert werden.
Die Opern dieser Periode sind demnach
- La fedeltà premiata, Dramma giocoso: 25. Februar 1781,1. Fassung. September 1782, 2. Fassung.
- Orlando paladino, Dramma eroicomico: 6. Dezember 1782
- Armida, Dramma eroico: 26. Februar 1784
- La vera costanza, Dramma giocoso: April 1785